Kant und die Imagination der Tiere
Kant spricht mit Leibniz von einem „unendlichen Feld” unbewusster Anschauungen in rationalen und nicht-rationalen Tieren, in dem instantan eine „ganze Welt“ repräsentiert ist. Kants unorthodoxe Adaption dieser und anderer Theoreme Leibniz’, die er in Vorlesungen, Reflexionen und Werken wie der Anthropologie von der vorkritischen bis zur späten kritischen Phase immer wieder thematisiert, wird in der philosophiehistorischen Diskussion der kritischen Erkenntnistheorie meist vernachlässigt und oft negiert: Als dogmatisches oder vorkritisches Residuum, als inkompatibel mit der radikal transzendentalphilosophischen Wende, nach der wir nur von derjenigen Anschauung sprechen können, die durch den menschlichen Verstand bestimmt ist und die die Form raumzeitlicher Einheit hat.
Das ästhetik- und formgeschichtliche Buchprojekt bietet einen umfassenden Nachvollzug eines negativen Denkens tierischer Anschauung und Einbildungskraft bei Kant: als unbewusste, unbestimmte, unendliche-singuläre Formen von Mannigfaltigkeiten. Die romantische Imagination der modernen Tiere – von Kleists fechtendem Bär bis hin zu Nietzsches beneidenswerten Schafen und Rilkes fühlenden Vögeln – findet bei Kant eine erste Artikulation, die der kritischen Philosophie zusammen mit ihrem Leibnizianischen Erbe unauflöslich eingeschrieben ist. Denn auch wenn Kant Raum und Zeit als Formen spezifisch menschlicher Anschauung begriff, sprach er den Tieren nicht ihre Intuition von Welt ab.
Im Zentrum der Arbeit stehen zwei Thesen: 1. Der irreduzible Beitrag von Anschauung/Bild/Darstellung zu jeder möglichen (menschlichen) Erkenntnis erschließt sich mit Kant erst im Hinblick auf eine Theorie der Singularität als Form der Anschauung, die vom jeweiligen Standpunkt einer Sinnlichkeit aus eine „unendliche Mannigfaltigkeit“ von Teilvorstellungen enthält, was sie zugleich inkommensurabel für ein Vermögen macht, das sich durch Begriffe nur auf eine endliche Reihe von allgemeinen Merkmalen beziehen kann. Kants Epistemologie der Sinnlichkeit als „unteres“ Erkenntnisvermögen des Lebendigen ist damit eine entscheidende Grundlage seines Denkens des Beispielhaften oder Exemplarischen in der Kritik der ästhetischen Urteilskraft. 2. Durch die „Schreibhandlung“ einer transzendentalen Einbildungskraft, die das unendliche Unbewusste im Zug einer graphischen Linie durchteilt und zusammenfasst, unterscheidet der Mensch eine Sukzession der Zeit von einer Extension des Raums; die singuläre Form tierischer Anschauung wird damit verdoppelt. Kants negatives Denken der Imagination der Tiere erfordert vor diesem Hintergrund eine fundamentale Revision des gängigen Verständnisses seiner Theorie menschlicher Anschauung und Einbildungskraft.
Untersucht wird Kants Unterscheidung zwischen Singularität als Form der Anschauung und Allgemeinheit als Form der Begriffe, sein Begriff des Lebens als Vorstellungs-/Darstellungskraft, die Theorie einer graphischen und zugleich affektiven „Bewegung“ der Einbildungskraft, durch die Denken und Sprache in die Form sinnlicher Anschauung eingelassen und von ihr untrennbar werden, die notwendige Beziehung ästhetischer Urteilskraft auf bildliche Imagination, und die verschiedenen Beziehungen von Anschauung, Bild und Zeit, die nach Kant denkbar werden.
Das ästhetik- und formgeschichtliche Buchprojekt bietet einen umfassenden Nachvollzug eines negativen Denkens tierischer Anschauung und Einbildungskraft bei Kant: als unbewusste, unbestimmte, unendliche-singuläre Formen von Mannigfaltigkeiten. Die romantische Imagination der modernen Tiere – von Kleists fechtendem Bär bis hin zu Nietzsches beneidenswerten Schafen und Rilkes fühlenden Vögeln – findet bei Kant eine erste Artikulation, die der kritischen Philosophie zusammen mit ihrem Leibnizianischen Erbe unauflöslich eingeschrieben ist. Denn auch wenn Kant Raum und Zeit als Formen spezifisch menschlicher Anschauung begriff, sprach er den Tieren nicht ihre Intuition von Welt ab.
Im Zentrum der Arbeit stehen zwei Thesen: 1. Der irreduzible Beitrag von Anschauung/Bild/Darstellung zu jeder möglichen (menschlichen) Erkenntnis erschließt sich mit Kant erst im Hinblick auf eine Theorie der Singularität als Form der Anschauung, die vom jeweiligen Standpunkt einer Sinnlichkeit aus eine „unendliche Mannigfaltigkeit“ von Teilvorstellungen enthält, was sie zugleich inkommensurabel für ein Vermögen macht, das sich durch Begriffe nur auf eine endliche Reihe von allgemeinen Merkmalen beziehen kann. Kants Epistemologie der Sinnlichkeit als „unteres“ Erkenntnisvermögen des Lebendigen ist damit eine entscheidende Grundlage seines Denkens des Beispielhaften oder Exemplarischen in der Kritik der ästhetischen Urteilskraft. 2. Durch die „Schreibhandlung“ einer transzendentalen Einbildungskraft, die das unendliche Unbewusste im Zug einer graphischen Linie durchteilt und zusammenfasst, unterscheidet der Mensch eine Sukzession der Zeit von einer Extension des Raums; die singuläre Form tierischer Anschauung wird damit verdoppelt. Kants negatives Denken der Imagination der Tiere erfordert vor diesem Hintergrund eine fundamentale Revision des gängigen Verständnisses seiner Theorie menschlicher Anschauung und Einbildungskraft.
Untersucht wird Kants Unterscheidung zwischen Singularität als Form der Anschauung und Allgemeinheit als Form der Begriffe, sein Begriff des Lebens als Vorstellungs-/Darstellungskraft, die Theorie einer graphischen und zugleich affektiven „Bewegung“ der Einbildungskraft, durch die Denken und Sprache in die Form sinnlicher Anschauung eingelassen und von ihr untrennbar werden, die notwendige Beziehung ästhetischer Urteilskraft auf bildliche Imagination, und die verschiedenen Beziehungen von Anschauung, Bild und Zeit, die nach Kant denkbar werden.